„Wir stehen zu 100 Prozent hinter dem, was wir anbieten“
2005 führte ihn der Zivildienst zur Stiftung Marien-Hospital Euskirchen, heute ist Sportwissenschaftler Björn Schlüter Teamleiter der neuen Tagesklinik in Mechernich. Zusammen mit seinem Team hat er das Konzept von Tag 1 geprägt – mit großem Erfolg.
Anfang November 2022 hat die Stiftung Marien-Hospital Euskirchen in Mechernich eine neue Tagesklinik eröffnet. Schon vor der Eröffnung gab es jede Menge für Sie und Ihr Team zu tun, oder?
Genau, im November haben wir die Pforten für die Patienten geöffnet. Unser 17-köpfiges Team hat sich bereits im Juni zusammengefunden. Wir hatten die Möglichkeit, das Konzept für die Tagesklinik mit sehr viel Vorlauf zu entwickeln. Das zahlt sich aus und wir können nun die Früchte ernten, die wir im Sommer gesät haben. Der lange Zeitraum für die Vorbereitung und die Teamentwicklung trägt auch dazu bei, dass jetzt im Alltag alles richtig gut läuft: Wir waren von Beginn an ausgebucht und haben eine lange Warteliste. Jeden Tag rufen Interessierte an oder kommen sogar persönlich vorbei und versuchen, einen Therapieplatz zu bekommen, obwohl diese über das Case Management vergeben werden. Außerdem spreche ich jede Woche mindestens mit einer Person, die gern bei uns arbeiten oder ein Praktikum machen möchte. Das freut mich natürlich sehr!
Erzählen Sie doch einmal mehr über Ihr Team und die Konzeptentwicklung für die neue Tagesklinik.
Wir sind ein sehr junges Team aus Arbeitskräften, die schon vorher für die Stiftung gearbeitet haben, und neuen Köpfen. Wir haben den Geist der Stiftung von Anfang an mitgetragen und mit frischen Impulsen der Menschen gemischt, die ganz frisch und motiviert von außen dazugekommen sind. Außerdem arbeiten wir alle auf einer Ebene, wir leben keine Hierarchien. Das Wort von jedem hat das gleiche Gewicht: Alle sind wichtig, alle Meinungen sind wichtig. Das ist eine unserer Stärken!
In unserem Team hat jeder einen anderen fachlichen Hintergrund und wir vertreten viele Berufsgruppen: Wir sind drei Ergotherapeutinnen, sechs Pflegekräfte, zwei Ärztinnen, vier Psychologinnen, eine Sozialarbeiterin und ich als Diplom-Sportwissenschaftler. Diese Interdisziplinarität ist eine weitere Stärke, weil jeder aus einem anderen Bereich Erfahrungen und Wissen einbringt und wir dadurch verschiedene Blickwinkel auf den Patienten haben. Wie ein Puzzle, bei dem jeder ein Teil beisteuert, damit ein vollständiges Bild entsteht.
In der Konzeptionsphase war es uns sehr wichtig, dass sich alle ressourcen- und interessenorientiert einbringen. Eine Person mit besonderem Faible für Tanz entwickelte also zum Beispiel ein Angebot im Bereich Tanztherapie und so weiter. Wir stehen zu 100 Prozent hinter dem, was wir unseren Patienten anbieten. Somit ist es auch leicht, sie abzuholen und zu motivieren.
Was umfasst das Angebot der Tagesklinik Mechernich als Einheit der Psychiatrischen Abteilung des Marien-Hospital Euskirchen ganz konkret?
Wir arbeiten nach dem biopsychosozialen Modell, das heißt wir arbeiten auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene mit den Patienten. Unser Angebot ist wirklich sehr, sehr groß. Tanzen, Yoga, Kochtraining, Genussgruppe, Meditation, progressive Muskelentspannung, Psychoedukation, Sozialberatung, themenoffene Gruppen, Achtsamkeits- sowie Alltagskompetenzgruppe, Emotionserleben, handwerkliche, kreative und erlebnispädagogische Gruppen plus sporttherapeutisches Angebot: Hier ist für jeden die richtige Therapie-Einheit dabei!
Vor welchen Herausforderungen standen Sie, als Sie mit Ihrem Team gestartet sind – und wie haben Sie diese gemeistert?
Eine große Herausforderung war es für uns, dass die Tagesklinik baulich einfach noch nicht so weit war, als wir mit der Konzeptarbeit angefangen haben. Wir waren alle total motiviert und wollten loslegen, aber standen in Mechernich in einem Rohbau. Wir hatten dadurch noch keine richtige Heimat und uns fehlte das Gefühl für die späteren Räumlichkeiten. Wir konnten dann auf die Pflegeschule des Marien-Hospital ausweichen und hatten auch Teambuilding-Workshops. Zusammen mit der großen Chance, das Klinikkonzept komplett selbst zu gestalten, hat uns das als Team sehr eng zusammenrücken und gemeinsam wachsen lassen.
Bitte ergänzen Sie einmal: Gute Teamarbeit …
… ist ein Miteinander auf Augenhöhe! Bei uns im Team kann sich jeder auf jeden verlassen. Hier zählen die Stärken des Einzelnen und gleichzeitig fangen wir die Schwächen des Einzelnen auf.
Wir vertrauen einander und ineinander: Die Psychologin ist die Expertin für Psychologie, die Ergotherapeutin für Ergotherapie. Jeder bringt eine eigene Perspektive ein und gleichzeitig befruchtet man einander. Das bildet zusammen nicht nur ein gutes Team, sondern am Ende eben auch eine gute und individuelle Therapie. Neulich hat zum Beispiel eine der Psychologinnen eine Tischtennisplatte ausgeliehen, um im Einzelgespräch bei einer Partie Tischtennis einen leichteren Zugang zum Patienten zu bekommen.
Welcher Weg hat Sie zur Stiftung Marien-Hospital geführt?
Ich bin schon sehr lange dabei: seit meinem Zivildienst 2005. Danach habe ich dort während meines Studiums im Nachtdienst gearbeitet und schließlich ab 2010 als Diplom-Sportwissenschaftler. Ich hatte von meinem ersten Tag an Patientenkontakt und konnte mich über die Jahre fachlich und persönlich weiterentwickeln. In der Einrichtung, die 2021 leider durch die Flut zerstört wurde, habe ich eine ganze Menge gelernt und mitgestalten können.
Was machen Sie heute als Teamleiter der Tagesklinik Mechernich genau?
Die Teamleitung einer Klinik ist klassisch eher eine Aufgabe für einen Psychologen als für einen Sportwissenschaftlicher. Die Chance, nun in Mechernich etwas ganz Neues aufzubauen, ist also aus mehreren Gründen etwas Besonderes für mich. Neben mir gibt es noch eine ärztliche Leitung, die dieses Führungsmodell komplett mitträgt. Eine vertrauensvollere, wertschätzendere Zusammenarbeit kann ich mir an dieser Stelle kaum vorstellen. Ich kümmere mich vor allem um organisatorische Aufgaben und koordiniere viel. Außerdem bin ich Ansprechpartner für die Pflege- und Ergotherapie-Teams und die damit verbundenen Planungen. Gleichzeitig biete ich selbst Sporttherapien, Entspannungstraining und ein erlebnispädagogisches Angebot an. Meine Aufgaben sind also vielfältig – ein Mix aus Praxis und Schreibtischarbeit.
Was schätzen Sie am Marien-Hospital als Arbeitgeber besonders?
Ich bin ja schon wirklich lange dabei. Was ich von Anfang an gespürt habe: Jeder wird gebraucht und jeder wird mitgenommen. Schon im Zivildienst wurde ich richtig eingebunden und war nicht nur für Hilfstätigkeiten da. Somit hatte ich auch den Entwicklungsraum, der mich zu dem geführt hat, was ich heute mache.
Außerdem investiert die Stiftung Marien-Hospital Euskirchen in die Zukunft. Es gibt einen riesigen Bedarf an psychiatrischen Einrichtungen und ich bin sehr dankbar, dass wir hier in Mechernich eine neue Einrichtung als Leuchtturmprojekt aufbauen dürfen – zum einen, um die Patienten optimal zu versorgen und zum anderen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Worauf achten Sie bei der Personalauswahl? Was ist Ihnen wichtig, damit jemand Ihr Team bereichert und sich auch wohlfühlt?
Das Miteinander muss stimmen. Und man muss gegenüber anderen Fachbereichen aufgeschlossen sein. Wir haben Spaß daran, mit Menschen zu arbeiten und sie da abzuholen, wo sie stehen, statt nur auf Erkrankungen zu schauen. Natürlich muss der fachliche Background stimmen, aber das ist nicht alles. Es braucht auch Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit. Zu uns passen positive Menschen mit Begeisterungsfähigkeit für das eigene Fach und die Arbeit im Team.